Hat keine Geduld mit Krankheiten: Dr. Peter Reinhardt, AbbVie

« Meistens sind es die kleinen Durchbrüche, die sich später als die hilfreichsten und wichtigsten erweisen. »

Peter Reinhardt

Nachgefragt ...

Dr. Reinhardt, welcher Weg hat Sie in Ihr Forschungsfeld geführt? Gab es einen speziellen Moment, in dem diese berufliche Entscheidung gefällt wurde?

Ja, es gab tatsächlich einen speziellen Moment der Entscheidung. Glücklicherweise nahm mich der Betreuer meiner Diplomarbeit auf den 20. Internationalen Kongress für Genetik nach Berlin mit. Dort hatte ich die Gelegenheit, einen Vortrag von Prof. Hans Schöler, Direktor des Max-Planck-Instituts (MPI) für molekulare Biomedizin in Münster, zu hören, der über das spannende und unglaublich neue Gebiet der induzierten Pluripotenz von Stammzellen referierte. Nach etwas mehr Recherche hatte ich das Thema meiner Doktorarbeit gefunden!
Dort, am MPI in Münster waren wir fasziniert von der Möglichkeit, die uns das Erzeugen von künstlichen, patientenspezifischen Stammzellen bietet. Zum ersten Mal war es möglich, die gleichen Zellen, die in Patienten von der Erkrankung betroffen sind, in theoretisch unbegrenzten Mengen in der Kulturschale zu erzeugen. Schon damals haben wir diese Technologie angewendet, um neurodegenerative Krankheiten zu erforschen. 2015 habe ich dann die großartige Gelegenheit erhalten, als Laborleiter bei AbbVie Deutschland diese Technologie zur Anwendung zu bringen, um Behandlungen gegen Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson zu erforschen.

Was wird durch Ihre Arbeit besser?

Durch die Verwendung künstlich erzeugter menschlicher Nervenzellen in der Wirkstoffsuche werden sich sehr wahrscheinlich zwei wichtige Aspekte verändern: Zum einen können wir neue stammzellenbasierte Modelle erstellen, mit denen wir genauere Voraussagen über den Effekt eines Wirkstoffes in menschlichen Zellen liefern. Zum anderen werden sich dadurch bestimmte Erkenntnisse schneller und sicherer finden lassen - hoffentlich und sehr wahrscheinlich zum Wohle der Patienten und deren Angehörigen.

Welchen größten Durchbruch haben Sie bisher (mit)erreicht?

Wissenschaftlich waren wir die ersten, die zeigen konnten, dass man mit einer "Genschere" in einem stammzellbasierten Krankheitsmodell für Parkinson die "Krankheit in der Kulturschale" therapieren kann. Auch wenn dies nicht bahnbrechend klingen mag: Meistens sind es die kleinen Durchbrüche, die sich später als die hilfreichsten und wichtigsten erweisen. Besonders in der Forschung, weil wir hier oft einen sehr langen Weg beschreiten, auf dem sich Auswirkungen von Erkenntnissen nicht immer sofort zeigen.

Gab es im Laufe Ihrer bisherigen Karriere auch Rückschläge, mit denen Sie zurechtkommen mussten? Wie haben Sie sich trotzdem weiter motiviert?

Natürlich gibt es auch Rückschlage. Vor allem, wenn man mit einem System arbeitet, in dem man teilweise erst Monate später Erfolg oder Misserfolg beurteilen kann, benötigt man eine unglaublich hohe Frustrationstoleranz. Und diese Latte musste ich mehrere Male höher legen. Probieren, scheitern, daraus lernen, mit vollem Elan weiter machen, das ist für uns Forscher Alltag. Deshalb sind Erfolge und der Gedanke "das hat vielleicht noch niemand vor mir gesehen" beim Blick ins Mikroskop für Forscher entscheidend.

Was wollen Sie in Ihrem Forscherleben einmal erreichen?

Natürlich gibt es viele wissenschaftliche Lorbeeren, die man ernten kann. Der größte Lohn besteht jedoch darin, dass die eigene Arbeit wirklich einmal Menschen hilft und zu wissen: Dazu habe ich etwas beigetragen. Die Wissenschaft, sowohl im akademischen als auch im industriellen Umfeld, leistet einen großen Beitrag zu einem besseren Leben vieler Menschen. Aber es gibt noch sehr viel zu tun.


Dr. Peter Reinhardt beschleunigt Verstehensprozesse. Bei Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson wird die Ursachenforschung normalerweise postmortal betrieben - für die Patienten kommt mit dieser Methode jede Hilfe zu spät. Außerdem ist es so schwierig, ein besseres Verständnis über die Entstehungsprozesse der Krankheiten zu bekommen. Doch es geht auch schneller: Mithilfe künstlich hergestellter Stammzellen kann die Erkrankung schon früher unter die Lupe genommen werden. Mit diesem Verfahren lassen sich wertvolle Aufschlüsse darüber gewinnen, was zum Ausbruch der Krankheit geführt haben. Mit Hilfe von entsprechenden zellbasierten Tests kann die Entscheidung für bestimmte Behandlungsmethoden früher und leichter getroffen und dadurch die Krankheit gezielter bekämpft werden.