kurz erklärt – der Podcast für Neugierige
Kennt ihr das auch? Ihr macht etwas ganz Alltägliches, und dabei fragt ihr euch plötzlich: Warum ist das eigentlich so? Der vfa-Podcast „kurz erklärt“ geht genau solchen Fragen nach. Die Antworten geben Expertinnen und Experten aus forschenden Pharmaunternehmen, die sich mit dem Thema auskennen.
Wie kommt immer gleich viel Wirkstoff in die Tablette?
Die Menge des Wirkstoffs macht meist nur einen Bruchteil der Tablette aus. Was in Tabletten noch drin ist und wie es bei der Herstellung gelingt, den Wirkstoff immer gleichmäßig zu verteilen, wird hier „kurz erklärt“.

Sprecherin:
Wie lässt sich eigentlich sicherstellen, dass immer gleich viel Wirkstoff in jeder Tablette ist? Und wenn ich die Tablette genau in der Mitte teile, halbiert sich dann auch die Wirkstoffmenge? Es könnte doch auch eine halbe Tablette ohne Wirkstoff sein und in der anderen Hälfte wäre dann alles – schließlich macht die Menge des Wirkstoffs nur einen Bruchteil der Tablette aus. Was ist eigentlich in Tabletten drin, außer dem Wirkstoff? Und wie funktioniert das?
Sprecherin:
Die auf der Packungsbeilage angegebenen Wirkstoffmengen bewegen sich meist im Miligramm-Bereich. Die einzelnen Tabletten sind aber wesentlich schwerer, denn sie bestehen aus Wirkstoff und Füllstoffen. In dieser Mischung müssen die Wirkstoffmoleküle perfekt gleichmäßig verteilt sein. Dass das keine einfache Aufgabe ist, zeigt eine Müslitüte. In ihr sind unterschiedlich große Bestandteile, und die bleiben nicht automatisch gleichmäßig vermischt. Da gibt es kleine Bestandteile, die an den Boden der Tüte rieseln und große, die bleiben oben auf.
Sprecherin:
Sven Kleiber leitet die Arzneimittelherstellung bei Pfizer in Freiburg. Er sorgt für einen reibungslosen Produktionsablauf und kennt sich bestens mit den Bestandteilen fester Arzneimittel wie Tabletten aus.
Sven Kleiber:
Beim Pekannuss-Prinzip von einer Müslimischung setzen sich ja die großen Teile auf der Oberseite oder der Oberfläche des Müslis ab, weil die kleineren nach unten wandern. Bei unseren Pulvermischungen ist es so, dass die Rohstoffe an sich schon eine sehr gleichmäßige Partikelgröße aufweisen. Zusätzlich werden die Pulvermischungen auch sehr schnell nach Herstellung der Pulvermischung direkt weiterverarbeitet und in eine Tablette verpresst. Im Rahmen der Freigabeanalytik wird an statistischen Mustern außerdem anhand von einzelnen Tabletten nachgewiesen, dass diese Tabletten den Gehalt an Wirkstoff enthalten, den sie auch enthalten müssen.
Sprecherin:
Der Wirkstoff, das wären bei meinen Schmerztabletten zum Beispiel 400 Milligramm Ibuprofen. Die ganze Tablette wiegt aber mehr. Wieso?
Sven Kleiber:
In einer Tablette sind neben dem Wirkstoff auch noch Füllstoffe drin. Das hat den Grund, dass der Wirkstoff Gehalt in einer Tablette ja häufig sehr niedrig ist und damit man dann die Tablette in die Hand nehmen kann, braucht man noch Stoffe, die eine Masse zur Tablette hinzufügen, aber keine eigene Wirkung entfalten. Das ist zum Beispiel Zellulose. Enthalten, ist aber auch häufig Magnesiumstearat, was im späteren Produktionsprozess dazu führt oder dazu dient, dass die Tablette nicht auf den Produktionsequipment kleben bleibt.
Sprecherin:
Ist das bei allen Tabletten gleich?
Sven Kleiber:
Also was in einer Tablette enthalten ist, hängt eigentlich immer vom jeweiligen Anwendungsgebiet der Tablette ab. Enthalten sind immer Rohstoffe, die eine optimale Verarbeitung zu einer fertigen Tablette ermöglichen. Zusätzlich sind aber auch noch sogenannte Zerfallsbeschleuniger enthalten, die dazu führen, dass sich die Tablette im Darm oder im Magen zersetzt und so den Wirkstoff freisetzen kann. Und am Ende kommt meistens auch immer noch ein Filmüberzug auf die Tablette, der dann entweder eine kosmetische oder geschmackskorrigierende Wirkung hat oder auch eine verlängerte Wirkstofffreisetzung bewirken kann.
Sprecherin:
Das klingt sinnvoll. Aber wie werden nun Wirkstoff und Füllstoffe und das alles gleichmäßig vermischt?
Sven Kleiber:
Das Mischen der Rohstoffe findet in Edelstahlbehältern mit einem Fassungsvermögen von 100 bis 2000 Litern statt. Hierbei wird nicht wie bei einer Küchenmaschine die Mischung durch Rührstäbe hergestellt, sondern der Container mit den Rohstoffen wird in einen Containermischer eingespannt und die Rohstoffe innerhalb des Containers durch Drehungen automatisch vermischt. Die gleichmäßige Vermischung der Bestandteile wird dann über den Herstellungsprozess selber sichergestellt. Hierbei werden vorher im Rahmen der Prozessvalidierung Parameter festgelegt, wie zum Beispiel Umdrehungen pro Minute, und diese Parameter nach Festlegung werden für alle Chargen, die produziert werden, nicht mehr variiert. Zusätzlich wird dann aber auch noch die korrekte Herstellung natürlich bei jeder einzelnen Charge im Rahmen der Inprozesskontrolle und auch im Rahmen der Freigabeanalytik geprüft und bestätigt.
Sprecherin:
Ein Containermischer für 2000 Liter? Damit lassen sich eine Menge Tabletten herstellen. Was wird denn damit behandelt?
Sven Kleiber:
Bei Pfizer in Freiburg werden im Bereich der Herstellung fester Arzneiformen Medikamente zur Behandlung von Krebs, zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schmerztherapeutika sowie Medikamente gegen Infektionskrankheiten wie zum Beispiel COVID 19 hergestellt mit einem Volumen von 14 Milliarden Tabletten und Kapseln pro Jahr.
Sprecherin:
Bei der Herstellung von Tabletten ist offensichtlich einiges zu bedenken. Gleichzeitig sollen neue Medikamente möglichst schnell für alle verfügbar sein. Wie geht das?
Sven Kleiber:
Dadurch, dass bereits in der Wirkstoffentwicklung und der Prozessentwicklung ein reger Austausch mit der Routineproduktion stattfindet, ist es uns möglich, die Medikamente schnell zu entwickeln und den Patienten zur Verfügung zu stellen.
Sprecherin:
Forschung und Entwicklung arbeiten ja erstmal mit viel kleineren Mengen. Menschen wie Sven Kleiber sorgen dann dafür, dass die Medikamente auch in großen Mengen mit immer gleich hoher Qualität hergestellt werden – und dass immer die richtige Wirkstoffmenge in jeder Tablette ist.
kurz erklärt – ein Podcast des vfa, der Verband der forschenden Pharmaunternehmen
Warum prüft die Diabetes-Forschung auf Herz und Nieren?
Ständiger Durst kann ein Anzeichen für Diabetes sein. Aber warum eigentlich? In diesem Podcast wird „kurz erklärt“, wie alles zusammenhängt und warum bei Typ-2-Diabetes nicht nur der Blutzucker im Fokus stehen sollte.

Sprecherin:
Irgendwie habe ich in letzter Zeit viel mehr Durst. Bin ich schwanger? Liegt es am Wetter? Am Stress? Habe ich etwa Diabetes? Ständiger Durst kann ein Anzeichen für Diabetes sein. Aber warum eigentlich?
Diabetes mellitus ist eine Stoffwechselerkrankung, die zu erhöhtem Blutzucker führt. Bei Patientinnen und Patienten mit Typ-2-Diabetes sind die Zellen im Körper unempfindlich für Insulin geworden. Das stört den Kohlenhydrat-Stoffwechsel. Denn das Hormon Insulin soll eigentlich steuern, dass die Zellen Zucker aus dem Blut aufnehmen – und sich so mit genug Energie versorgen können.
Wenn die Körperzellen den Zucker aus der Nahrung nicht richtig oder gar nicht aufnehmen können, bleibt er im Blut. Der Blutzuckerspiegel steigt und der Körper versucht, den überschüssigen Zucker mit dem Urin auszuscheiden. Der Harndrang nimmt zu und die Betroffenen verspüren mehr Durst. Aber ist das alles?
Dr. Ruth Lohr ist seit 14 Jahren bei Boehringer Ingelheim und arbeitet seit einigen Jahren in der medizinischen Abteilung für Diabetes und Herzerkrankungen.
Dr. Ruth Lohr:
Allein in Deutschland gibt es fast 6 Millionen Patientinnen und Patienten mit Typ-2-Diabetes. Weltweit sind es über 460 Millionen Menschen. Und wenn man Prognosen anschaut, denen zufolge wird sich die Zahl bis zum Jahr 2045 sogar verdoppeln.
Aber nicht nur die Anzahl von Menschen mit Typ-2-Diabetes ist alarmierend, sondern auch die möglichen Folgeerkrankungen der Betroffenen. So kann Typ-2-Diabetes immense Schäden an anderen Organen wie zum Beispiel Herz und Nieren verursachen.
Sprecherin:
Die Nieren funktionieren wie ein Filter, der Schadstoffe aussiebt, die dann über den Urin ausgeschieden werden. So kann ein dauerhaft zu hoher Blutzucker die Nieren nachhaltig schädigen. Aber wirkt sich Diabetes auch aufs Herz aus?
Dr. Ruth Lohr:
Menschen mit Typ-2-Diabetes erleiden vier Mal so häufig eine Herzerkrankung wie Menschen ohne Typ-2-Diabetes, und das Risiko, an einer Herzerkrankung zu versterben, ist doppelt so hoch.
Sprecherin:
Diese Erkrankung kann also nicht nur an die Nieren gehen. Die Erkenntnis, dass es einen Zusammenhang zwischen Typ-2-Diabetes und Schäden an anderen Organen gibt, hat auch die Forschung verändert.
Dr. Ruth Lohr:
Ja, in der Forschung hat in den letzten Jahren ein Umdenken stattgefunden. Über Jahrzehnte hat man sich in der Diabetestherapie auf den sogenannten „Langzeitblutzucker“ konzentriert, den Blutzucker der vergangenen 8-12 Wochen. Aber heute ist dieser Wert nicht mehr der alleinige Maßstab. Bei der Wahl der Typ-2-Diabetestherapie wird inzwischen darauf geachtet, ob Herz oder Nieren bereits geschädigt sind oder es Risikofaktoren für eine solche Schädigung gibt. Die enge physiologische Verzahnung von Stoffwechsel, Herz und Nieren ist das, was uns aktuell in der Forschung beschäftigt.
Sprecherin:
Auch in der Forschung wird also auf Herz und Nieren geprüft. Doch Ausgangspunkt bleibt der erhöhte Blutzucker. Er lässt sich bei Menschen mit Typ-2-Diabetes auf verschiedene Arten senken: Entweder es wird weniger Zucker aufgenommen oder der Zucker wird besser vom Stoffwechsel im Körper abgebaut oder es wird mehr Zucker ausgeschieden.
Dr. Ruth Lohr:
Dieser zuletzt genannte Effekt lässt sich mit einer bestimmten Wirkstoffklasse erreichen. Die sogenannten SGLT2-Inhibitoren wurden mit dem Ziel entwickelt, die Therapie für Typ-2-Diabetes weiter zu verbessern.
Sprecherin:
SGLT2-Inhibitoren?
Dr. Ruth Lohr:
Genau. Sie werden auch SGLT2-Hemmer genannt. SGLT2 heißt ein Eiweiß, ein Protein, das den Zucker aus dem Blut in die Körperzellen transportiert. Wird dieses Protein in den Nieren gehemmt, fördert das die Ausscheidung von Zucker über den Urin. Dadurch nimmt der Blutzucker ab. Und ein positiver Nebeneffekt ist außerdem, dass auch das Gewicht und der Blutdruck so gesenkt werden können.
SGLT2-Inhibitoren können je nach Ausprägung des Typ-2-Diabetes als Einzeltherapie oder auch in Kombination mit anderen Diabetesmedikamenten verwendet werden. Die Substanzklasse hat in den vergangenen Jahren in vielen großen klinischen Studien gezeigt, dass sie auch eine positive Wirksamkeit auf Herz- und Nierenerkrankungen hat. Deshalb kommt diese Substanzklasse jetzt auch bei der Behandlung von chronischer Herzschwäche zum Einsatz.
Sprecherin:
Was Dr. Ruth Lohr von Boehringer Ingelheim da beschreibt, klingt spannend – und verspricht eine bessere Behandlung für Menschen mit Typ-2-Diabetes. Es lohnt sich also offenbar, auf Herz und Nieren zu prüfen.
kurz erklärt – ein Podcast des vfa, der Verband der forschenden Pharmaunternehmen
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